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Alt 01.11.2008, 22:48
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Das ist das letzte Kapitel meines Kurzberichtes unserer Donau-Reise

Das Delta




Ungebändigtes Leben in ungebändigter Natur, ein Dschungel, eine Wasserwüste, eine Sumpflandschaft, schwimmende Inseln, wogende Schilffelder, zahlreiche kleine und große Seen, das ist das Delta. Eine archaische Landschaft im Reich des Wassers. Hier erinnert die Natur an die Entstehung der Welt. Hier wird sich der Strom in einsamer Größe in drei Armen mit dem Meer vereinen. Zum letzten Mal hat die Donau ein Meisterwerk geschaffen, eine großartige Krone, die das Heldentum und die Versöhnung mit dem Schicksal, die Großzügigkeit und das Rätselhafte belohnt, ohne dessen Existenz der Strom in trauriger Banalität vergehen würde.
In diesem Land jenseits der Nebelschwaden befindet sich ein erstaunliches Mosaik verschiedener Biotope. 3480 Tierarten gibt das Delta eine Heimat. Davon alleine 300 verschiedenen Vogelarten und 90 Arten Fische. Der Rest, Wirbeltiere und Wirbellose. Schmetterlinge, Libellen, Wildschweine, Schlangen, Marderhunde, Bisamratten, Seeotter, Füchse und Hasen und Unmengen von Insekten, 2224 verschiedene Arten. Da muss ich mich wirklich fragen, warum nur hat Noah nicht wenigstens die zwei Stechmücken erschlagen.
Die Donau teilt sich in drei Arme, die miteinander durch kleine Kanäle und Seen verbunden sind. Der größte ist der Chilia-Arm, er fließt an der Ukraine entlang und führt 63 % des Donauwassers mit sich. Der Sulina-Arm ist der Hauptschifffahrtsweg und entsprechend kanalisiert und begradigt. Der Sfintu-Gheorghe-Arm windet sich in großen Mäandern dem Meer entgegen. Inseln scheinen im Fluss zu treiben, nicht verankert im Rest der Welt. Ein sicherer Zufluchtsort für alle Geschöpfe, die sich nur durch Flucht oder Tarnung verteidigen können.
Diesem Stromarm folgten wir, bis wir abbogen in einen winzigen Kanal, mitten durch ein Sumpfgebiet bis er sich verbreiterte und rechts und links 3 m hohe Schilfwälder sich leise rauschend im Wind bewegten. Weiße Seerosen und gelbe Teichrosen säumten unseren Weg unterbrochen von den Netzen der Fischer. Umgestürzte Bäume verengten das eh schon schmale Fahrwasser. Zwei Pelikane erhoben sich schwerfällig in die Luft. Ein winziger Kanal führte in den Isac-See, der sollte unser Tagesziel werden. Einheimische rasten mit kleinen Nachen oder weißen Flitzern beladen mit Touristen an uns vorbei. Kann man so ein Paradies genießen, ein Naturschutzgebiet erkunden? Der See ist verkrautet, hier konnten wir nicht fahren, auch wenn das Wasser glasklar war und zum Baden einlud. In dem kleinen Zufahrtskanal fuhren wir in den Schilfgürtel, wie alle anderen auch.
Nichts liegt mir ferner, als einen Mythos zu entzaubern, aber dieser geheimnisvolle Urwald, in dem Völker leben sollen, die noch nie ein Mensch gesehen hat, ist ein Märchen. Natürlich verändert sich die Sumpflandschaft ständig, doch die Haupt-Kanäle, die das Delta durchziehen haben Namen und sind sogar beschildert. Kein vernünftiger Mensch wird sich mit einem Paddel- oder Schlauchboot in 3 bis 4 m hohes Schilf wagen und sich von den Schnaken fressen lassen. Die Kanalwelt ist ähnlich einem Labyrinth, verzweigt, unübersichtlich und jeder Kanal ähnelt dem anderen.. Hat man einmal die Orientierung verloren, ist es schwer ohne Hilfe wieder auf den rechten Weg zu finden. Doch über die Wasserwege und Kanäle des Deltas gibt es sogar Karten, nach denen man durchaus fahren kann. Ohne Kompass zu fahren ist nicht anzuraten und wir haben zur Sicherheit auch das GPS eingeschaltet. So konnten wir das Delta kreuz und quer befahren und genießen.

Nach den vielen Wochen auf der Donau wirkte der Sulina-Kanal enttäuschend nüchtern, öde, langweilig. Die Ufer waren befestigt. Rechts zogen sich endlos triste Strommasten schnurgerade entlang. So weit das Auge reichte, niedrige, sich verlierende Ferne.
Fast zwei Monate hatten wir auf der Donau gelebt, mit ihr, von ihr. Unser Abenteuer Donau war zu Ende. Ich fühlte Bedauern. Es war ein Abenteuer, das wenige vor uns erleben durften und wenige nach uns erleben werden. Es war spannend und lustig, es war atemberaubend und fremdartig, es war die Erfüllung eines Lebenstraumes.

Ein Leuchtturm sagt uns:


Der König der europäischen Ströme existiert nicht mehr.
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Viele Grüße
Doris
www.beluga-on-tour.de
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